*Was Grossmutter noch wusste*

von: Jens Ullrich

Unter der Rubrik "Was Großmutter noch wußte" wird dem geneigten Leser diesmal ein Einblick in die häusliche Medizin gewährt, die im Gegensatz zum sterilen Aufwand städtischer Krankenhäuser und Santatorien eine geradezu majestätische Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt. In diesem Falle befassen wir uns mit der Chirugie im Allgemeinen und dem Entfernen eines Blinddarmes im besonderen.

Für einen solchen doch recht gravierenden Eingriff in Leib und Leben des Kranken eignet sich natürlich die Küche ganz besonders, da sie sich einerseits für gewöhnlich auf Grund des Fliesen- oder Venylbodens relativ leicht reinigen läßt und andererseits alle Instrumente enthält, die man für eine solche Operation braucht.
Wir räumen zur Vorbereitung des Eingriffes zuerst den Küchentisch ab und entfernen die eventuell vorhandene Stofftischdecke. Falls es sich jedoch um einen Kunststoffbelag handelt, kann man sie mit ruhigen Gewissen auf dem Tisch lassen, da sie nach dem erfolgreichen Eingriff einfach zu reinigen ist und bei einem erfolglosen Eingriff das Tragen des Verblichenen sehr vereinfacht. Nun werden starkes Klebeband oder Stricke bereitgelegt, mit dem man den zu Behandelnden fixieren kann. Zur Betäubung eignet sich, falls verhanden, Morphium aus dem Drogendepot des Sohnes. Falls dieses bei der letzten Razzia gefilzt wurde, kann man das Mittel auch durch Alkohol substituieren (Achtung! Nur Ethanol!).

Ist ihnen ihr selbstgebrannter Obstler dafür zu wertvoll, tut es im Notfall auch ein stabiles Holzscheit, das, dem Patienten sanft, aber entschieden auf den Hinterkopf geschlagen, für ausreichend Ruhe sorgt. Ist auch diese Methode, möglicherweise auf Grund der zugegebenermaßen recht komplizierten Anwendung, nicht diskutabel, reicht im Zweifelsfalle auch ein stabiler Knebel (Man möchte die Nachbarn ja nicht übermäßig beunruhigen).
Für die richtige Beleuchtung reicht normalerweise die Küchenlampe aus, will man den Eingriff jedoch für das Heimkino filmen, sollte man den Lampenschirm mit Alufolie auskleiden. Das Operationsbesteck, hauptsächlich aus im Haushalt zu findenden Geräten, wird, soweit möglich, durch Kochen desinfiziert und dann mit einem Putzlappen abgetrocknet.

So, da der Patient nun ruhiggestellt und fixiert ist, kann man mit der eigentlichen Operation beginnen. Als Operationsbesteck werden natürlich nur im Haushalt zu findende Geräte verwendet. Zu Beginn des Eingriffs wird das Arbeitsgebiet markiert. Dazu malt man mit einem Lippenstift oder mit Filzstift einen Kreis um das schmerzende Gebiet. Nun nimmt man ein möglichst scharfes Küchenmesser zur Hand und öffnet durch einen gekonnten Schnitt das betroffene Bebiet. Nachdem man sich durch eine unübersehbare Masse verschiedenfarbigen Gewebes gegraben und mit Hilfe einer Luftpumpe eventuell auftretende Flüssigkeit entfernt hat, (Achtung: Die Pumpe vorher durch Umdrehen des Dichtungsgummis entsprechend präparieren, sonst wird statt gesogen geblasen und man muß die Küche nachher neu streichen) kann man mit dem Lokalisieren des Blinddarms beginnen. Hierbei sollte man darauf achten, daß die Öffnung nicht zusammenfällt. Mit Hilfe einer Rohrzange und einer Zwinge, beides findet man in jedem besseren Hobbykeller oder bei OBI (Ach ja: Hallo, Obi!), kann man das "Einsatzgebiet" recht gut stabilisieren. Hierdurch bleibt ein ungetrübter Eingriff in das Innere ihres Mitmenschen bewahrt.
Gesucht wird ein rotpulsierendes Objekt, das dem Ende einer Schweinsleberwurst nicht unähnlich sieht. Wird es gefunden, muß der "Wurstzipfel" mit etwas Bindfaden umwickelt und abgeschnürrt werden. Nun entfernt man über den Zipfel über der Abschnürung mit einer Papier- oder Küchenschere und näht die entstehende Lücke mit etwas Zwirn zu. Ist niemand der Kunst des Nähens mächtig, kann man auch eine Büroklammer nehmen, oder einen sogenannten "Tacker" verwenden. Nun schließt man den Schnitt mit Wäscheklammern und vernäht ihn (oder wie gesagt, tackert ihn zu). Hierbei sollte man darauf achten, daß man die Wäscheklammern danach wieder entfernen kann, sonst muß man dem Opfe..., äh, dem Patienten später neue Kleidung kaufen, da die alte um die Hüfte etwas spannt.

Die Operation ist mit dem Verschluß des Schnittes beendet, und der Behandelte kann nun wieder von seinen Fesseln befreit und in sein Bett getragen werden.Jegliche Nahrungsaufnahme muß im jedoch die nächsten zwei Tage verwehrt werden, da in dieser Zeit der Verschluß der Blinddarmnaht noch etwas locker ist.Später dann kann der ehemalige Patient in diversen Lokalen mit seiner "im Kampf gegen einen 2.30 Meter grossen Holländer (hier kann man jegliche Art von Minderheit eintragen)" erworbenen Narbe prahlen oder, falls die Wäscheklammern doch nicht entfernt werden konnten, damit auf Jahrmärkten auftreten.

Je nach der Höhe der bisherigen Ausgaben kann man zur Finanzierung der Operation auch den gedrehten Film an "Bitte lächeln" schicken, da hier Videodokumentationen ähnlicher Geschehnisse zur allgemeinen Belustigung ausgestrahlt werden. Sollte dies nicht reichen, kann man während des Eingriffs auch gleich eine Niere mit entfernen und auf dem nächsten Polen- oder Trödelmarkt an den lokalen Organhändler verkaufen.

Achtung: Diese Art von Eingriffen sind nur bei vorheriger Absprache mit dem behandelnden Arzt (falls vorhanden) gestattet. Für eventuelle Schäden an Leib und Leben kann aus verwaltungstechnischen Gründen bedauerlicherweise keine Garantie uebernommen werden.