Mit spitzer Feder

Squash

Von Graupen und Flummis

Es hat mich erwischt. Für verrückt haben mich meine Bekannten ja schon immer gehalten. Aber jetzt ist es ganz aus. Seitdem ich einen schwarzen schlappen Gummiball mit einem Schläger gegen Spezialbeton dresche. Nicht etwa nur einmal. Ständig, stundenlang, wöchentlich, seit Monaten, bei jeder Gelegenheit.

Squash heißt die Sucht, der ich verfallen bin mit Haar und Haut. Squash kommt von quetschen, man könnte es auch mit Schweiß übersetzen oder platt mit Squatsch, wie es meine Erbtante Olga verächtlich ausspuckt, wobei sie ihren Zeigefinger kokelnd an die Stirn tippt, eine stereotypische Geste, die ihr zwanghaft widerfährt, wenn sie meiner ansichtig wird.

Zur Sache: Mein Gegner und ich schließen uns in einen Käfig aus Beton- und Glaswänden ein, den sogenannten Court, runde 6,5 mal 10 Meter. Freiwillig, das muss betont werden, freiwillig: Ich schlage den Gummiball mit einem Schläger gegen die Stirnwand. Vergnügt erwartet mein Gegner die munter abprallende Pille und schlägt seinerseits drauf ein, dito Richtung Stirnwand. Nun wieder ich. So einfach ist das.

Sofern man mit einem Flummi spielt. Ein Flummi ist ein Ball, der - missratener Abkömmling einer Liaison zwischen Tennis- und Softball - das hysterische Sprungverhalten eines gehetzten Hasen nachzuahmen versucht. Unbekümmert hüpft und hoppelt der Flummi durch den Court, steißelt an Seiten- und Rückwand, dreht eine Pirouette, um zu guter Letzt zielsicher auf den bereitgehaltenen Schläger des Squashkönners zu landen.

Squashkönner spielen aber keine Flummis. Flummis sind für Graupen erfunden worden. Graupen wiederum werden herzlos als Rollstuhlliga belächelt.

Es ist die Rede von den Squashanfängern. Man erkennt sie sofort; hektisch galoppieren sie über den Schwingboden, ratschen in die Ecken, wirbeln den Schläger um die eigene Hüfte, dem Gegner auf die Brille, schwitzen Blut und Wasser und kriechen nach einer halben Stunde hechelnd zu ihrem Sportiv-Getränk, glücklich, rothitzig, mit diversen Schürf- und Prellwunden hoch dekoriert. Die Rolle des Balls wirkt bei alledem peinlich bescheiden: schlabberig kullert er zur Seite, von dem wüsten Getrampel kaum berührt; Im wahrsten Sinne des Wortes; Kaum berührt.

Denn den Ball zu treffen ist Sache einer Graupe nicht. Er trifft die Wand, den Gegner, das eigene Schienbein, und mit dem Glück trifft er auf einen Gleichgesinnten, der den ganzen Squatsch mitmacht.

Da heißt`s einen Trainer zu bestellen und ordentlich Technik und Taktik zu lernen.

Die Ausrüstung: einfach und billig, wie die Fachliteratur verlockt. Schuhe, einen Schläger, weiße Bekleidung, Ball. Mehr nicht. Das Fachbuch verschweigt, wie viel paar Schuhe, wie viel Schläger im Jahr. Ich spiele jetzt meinen achten Schläger, mehr verrate ich nicht.

Von der Bekleidungsregel hält niemand was. Man sieht Netzhemden, knielange T-Shirts (mangels Hose?) zerfetzte Jeans, schwarze verbeulte Trainingshosen aus Zeiten des Turnvater Jahns selig, Ledergarnituren, Schlafanzüge und dergleichen mehr. Was keiner anzieht: weiße Kleidung.

Derart adrett gestylt begeben wir uns zur Trainingsstunde. Der Trainer übt immer dasselbe: Longlines, parallel zur Seitenwand. Er kann das. Er zaubert es vor. Er ist ein Genie. Bei ihm schliert der Ball an der Wand entlang und stirbt - für den Gegner unerreichbar - im "Nick".

Bei mir fliegt der Ball an die Neonröhre. Die Neonröhre befindet sich über meinem Kopf, circa 5 Meter Höhe. Oder mein Ball fliegt in die Lüftungslamellen. Meistens fliegt mein Ball überhaupt nicht: Warum? Weil ich ihn nichtgetroffen habe. So einfach ist das.

Der Trainer benutzt einen Ball mit zwei gelben Punkten. Wenn man diesen Ball auf den Boden wirft, bleibt er unberührt liegen. Er ist das Gegenteil vom Flummi, sein Erzfeind. Er will warmgespielt werden, bevor er sich bequemt zu hüpfen.

Wenn man soweit ist, das man jedes zweite Mal den Ball, übt man den Boast. Wie beim Billard in die Bande, so hier in die Seitenwand. "Mit Pittjes in die Wand!" pfeift der Trainer, Gesagt, getan. Es gibt einen Knack. Der Ball fliegt an die Neonröhre und mein Schläger ist kaputt. Gebrochen. Der Spezialbeton war stärker.

Frauen, aufgemerkt: wer etwas über den Charakter des Zukünftigen erfahren will, beehre mit ihm eine Squashanlage. Beim gemischten Spiel (Dame/Herr) entlarvt sich der göttliche Geliebte möglicherweise als übler Macker neurotischen Zuschnitts.

Da knallt der eine den Ball mit tarzanischen Gebrüll so durchs Gehege, dass Frau sich in einem Blitzkrieg wähnt, stets auf der Flucht vor den aufpeitschten Granaten und niederschmetternden Volleys. Der Hölle knapp entronnen. Nimmt sie mit zitternden Händen das gönnerhaft gereichte Handtuch, sich abzutrocknen: allein, es ist der Angstschweiß und nicht die erhoffte Folge spielerischer Anstrengung.

Ein anderer knallt ebenfalls. Merkwürdigerweise saust der Ball immer wieder auf seinen eigenen Schläger zurück. Derweil vereinsamt seine Partnerin in stiller Meditation: weshalb hat sie bloß ihr Strickzeug zu Hause gelassen?

Plötzlich schießt das kleine schwarze Gummiungeheuer auf sie zu. Da sie zu kalt und überrascht ist, trifft ihr Schläger das Ding nicht. Worauf das Einzelspiel des Herrn und Meisters seinen Fortgang nimmt.

Ich habe nach solchen "Spielen" manch nachdenkliches weibliches Gesicht beobachtet.

Zum Schluss die wichtigste Regel, die eigentlich an den Anfang gehört: die Let-Regel. Findet eine Behinderung statt (ungewollt), kann und sollte man "Let" rufen. Dann bricht man ab und wiederholt das Spiel. Eine Behinderung ist gefährlich, der Partner in der Flugbahn steht. Die Let-Regel ist lebenswichtig. Anfänger glauben das nicht. Wenn man ihnen zeigt, dass der Squashball genau ins Auge passt, ziehen sie verächtlich die Mundwinkel herunter. Gut ist das nicht. Besser ist es, "Let" zu fordern.

Lieber ein paar Mal mehr als einmal zuwenig.

Häufiger hallt ein anderer Ruf durch die Courts: "Shit!". Darüber aber schweigen die Fachautoren ebenso wie über "Graupen" und "Flummis".

(Quelle: FRIEBO 12.03.1991)