HYPER HYPER ! Oder wie mache ich einen No.-1-Hit

MO-DO, BOBO, WHIGFIELD, REDNEX:

TRASHFLOOR dominiert die Charts, penetiert auf VIVA, verseucht den Aether.
Das Schlimmer daran: TRASHFLOOR kann jeder. Eine Anleitung Trashfloor ist keine Frage des Geschmacks, sondern genetisch festgelegt: Bekanntlich durchlaeuft das Embryo waehrend der Schwangerschaft alle Evolutionsstufen tierischen Lebens, Entwicklungsformen, die in unserer DNA gespeichert sind.

Dort finden wir auch das TRASHFLOOR-Gen, direkt neben den Informationen zum Bau eines Einzellers. Deshalb bringt es nichts, die Gesetzmaessigkeiten dieser niedrigsten musikalischen Lebensform zu hintefragen - man muss sie akzeptieren, so wie den kuenstlichen Darmausgang nach der Krebsoperation. Schon bei der Namensfindung muss der ernsthafte Trashfloor-Aspirant eine eherne Regel beachten: Suche nach Worten mit moeglichst starker Betonung des Vokals "O", auch Babysprache kann niemals schaden. Fragt nicht, warum, vertraue Profis wie Mark'Oh, DJ Bobo, Mo-Do, Pharao, Scooter, La Bouche. Natuerlich faellt nicht jedem so schnell ein Wort mit "O" ein, Snap! zum Beispiel. Dieses Manko machen sie aber mit Songtiteln wie "Welcome to tomorrow" (4 Os!) locker wett, wie auch Two Cowboys mit "Everybody Gonfi-Gon" oder Rednex mit "Cotton Eye Joe". Am coolsten jedoch war Perplexer der sich doppelt absicherte: Seine Hits "DaCapo" und "Acid Folk" erschienen bei Motor. Auch wenn Trashfloor dem Nachwuchsproduzenten keine musikalische Vorbildung abnoetigt, muss er sich zuallererst zwischen den beiden Erscheinungsformen entscheiden - Haus oder Daeschno?

Das kann man am leichtesten, wenn man die Augen schliesst und sich fickende Tiere vorstellt: Sind es zwei Hasen, ist man Daeschno-Musiker, sind es zwei Hunde, hat man Haus im Blut (wer an Heino und Hannelore denkt, kann hier aufhoeren zu lesen, das ist naemlich der Aufnahmetest fuer Fernsehproduzenten bei RTL). Abgesehen von den Tempovariationen gleichen sich die beiden Spielarten jedoch weitestgehend: Intro (etwa 8 Sekunden, vielleicht schon mit kleiner Erkennungsmelodie), dann setzt der Beat ein,ueber den ein Rap hinwegbrabbelt.

Dann kommt dahin, wo frueher der Refrain war, ein Frau, die Geraeusche macht, als wenn sie unbequem sitzt. Jetzt die obigatorische Verschnaufpause: Das Tempo wird halbiert, und die Frau singt dazu, als wenn man mit ihr das gleiche macht. Danach gehts wieder von vorne los. Wenn du dich langweilst, weisst du, das 20 Sekunden vorbei sind. Dann nimmst du den Schnipsel und klebst ihn zehnmal hintereinander - fertig ist dein erster Track!

Doch nun kommt der schwierige Teil: Du musst etwas moeglichst Doofes finden, das du ueber das Ganze schreist: "HYPER HYPER", "Wir fliegen fort" oder "Don't have Sex with your Ex". Vielleicht hast du schon mal festgestellt, dass es in manchen Situationen schwierig ist, die richtigen Worte zu finden.
Deswegen ist es hilfreich zu wissen, dass TRASHFLOOR-Lyrik in der Tradition zweier grosser deutscher Kuenstler steht: zum einen Heinz Erhardt-Referenzmodell: "Eins,Zwei,Polizei" von Mo-Do. Zum anderen Fips Asmussen-Referenzmodell: Clubfishs "Nimm'n in'n Mund".

Das Gute am TRASHFLOOR ist, hier schaemt man sich fuer nichts, aber wirklich gar nichts. Von "Nimm'n in'n Mund" gibt's zum Beispiel eine 3:10-Minuten-Version, wo nur diese Zeile wiederholt wird. Und es ist noch kein Meister vom TRASHFLOOR-Himmel gefallen: Fuer "Nimm'n in'n Mund" bedurfte es dreier Autoren, von denen einer auf den lustigen Namen Erik Trinkaus hoert. Um dir das Texten deines ersten Hits zu erleichtern, folgen jetzt die gelaeufigsten Phrasen, deren drei Elemente beliebig untereinander kombinierbar sind:

DER PRINZ PHRAS-O-MAT
WATCH THEHEATTO THE BEAT!
MOVE YOURPOWERDREI, VIER!
CAN YOU FEEL THEPOLIZEITO THE RHYTHM?
WE PUT SOMEFIREON THE DANCEFLOOR!
NIMM'NENERGYHYPER HYPER!
EINS, ZWEIBODYIN'N MUND!

Bestimmt ist auch dir schon aufgefallen, dass alle TRASHFLOOR-Tracks gleich klingen. Trotzdem kann es nicht schaden, eine originelle Idee unterzubringen. Und das kann jeder:

1. Du bist noch bescheuerter als alle anderen, siehe Mo-Do oder Scooter.

2. Denk mal nach: Was passt eigentlich ueberhaupt nicht zu schneller, elektronischer Musik? Genau, Folklore. Deswegen hat Perplexer in "Acid Folk" einen Dudelsack eingebaut, Zong in "Tangoá" ein Akkordeon. The Grid benutzen bei "Swamp Thing" ein Banjo, Rednex auf "Cotton Eye Joe" eine Fiddle und Two Cowboys auf "Everybody Gonfi-Gon" gleich beides. Viel bleibt da nicht mehr uebrig: Zither, Schalmei, Saz, Kamm, Eierorgel ...

Die 3. Moeglichkeit, einen Hit einzufahren, ist die sicherste, aber auch unappetitlichste: Sex mit Toten.

Doch du bist da nicht allein: "K2" exhu- mierten fuer "Der Berg ruft" Luis Trenker. Und auch eine andere Ikone deutscher Kultur musste dran glauben: Heinz Ruehmann. Der 92-jaehrige war noch warm, als die Produzenten Helmut Ruessmann(!) und Willi Stumm ueber das welke Fleisch des Volksschauspielers robbten und "Seine grossen Filmhits" nochmal auf den Markt warfen, zusammen mit dem kuehl kalkulierten "Ade". Das Mini-Label "No More Brothers" produzierte eine Dancefloorversion von Freddy Mercurys "Living on my own", womit die EMI zuerst nix mit zu tun haben wollte, weil sie glaubte, man koennte sich an der Platte mit Aids anstecken. Nachdem sie aber feststellten, dass die Version in die belgischen Charts ging, ohne dass sich Kaeufer infizierten, brachten sie "Living on my own" doch heraus: Nummer Eins in England, Nummer Drei in Deutschland. Man kann's aber auch von den Lebendigen nehmen, wie die britische Trash-Prinzessin Abigail, die R.E.M.'s "Losing my Religion" oder "Constant Craving" von k.d. lang ausweidete und kurz vor Cobains Selbstmord "Smells like Teen Spirit" atomisierte. So'n Dusel muss man haben! So, nun hast du also einen Namen mit "O" und einen todsicheren Hit mit einer Zither oder einem Toten.

Das Demo gibst du Motor Music (wegen der zwei Os), Edel oder Zyx (weil die so scheisse sind: Heimat von Rednex, Scooter, Whigfield oder Mo-Do) und holst deinen Plattenvertrag ab. Waehrend die deine CD pressen, musst du jetzt Leute finden, die fuer dich im Video rumhuepfen und er BRAVO Interviews geben. Denn als echter TRASHFLOOR-Produzent bist du uebergewichtig, sprichst mit einem hessischen Dialekt und hast eine Scheiss- frisur (keine Sorge, auch Frank "Gott" Farian beschaeftigte mit Boney M. einige schlechtbezahlte Statisten. Er hat auch in anderer Hinsicht den Weg geebnet: Seit dem Skandal um Milli Vanilli erwartet kein Schwein mehr, dass die Deppen aus dem Video auch noch selbst singen).

Jetzt aber ab vor die Glotze: Nach einem Fersehnachmittag mit VIVA bist auch du Zyniker genug, um zu wissen, welche vier Grundtypen du dir aus der naechsten Grossraumdisco fuer den Clip rauspicken musst: 1. einen Schwarzen (Tuerken sind auch gross im Kommen!) mit muskuloesem Oberkoerper, 2. eine Schwarze, ruhig mit schoen dicken Moepsen, 3. eine Blonde mit nicht ganz so dicken Titten und 4. einen Blonden (darf ruhig aussehen wie ein SS-Offizier und 'ne Warze neben der Nase haben, Mo-Do hat's jedenfalls nicht geschadet). Den Schwarzen kombinierst du mit der Blonden, die anderen beiden hebst du dir fuer spaeter auf (wenn du den Schwarzen und die Blondine rausschmeissen musst, weil sie mehr Kohle fordern). Fertig ist der Act!

Das Video ist jetzt ein Kinderspiel: Den Schwarzen steckst du in eine weite Satinhose, damit beim Tanzen alles schoen schlackert, sonst hat der Mann zu rappen und das Maul zu halten. Die Blonde ist fuers Juchzen verantwortlich und muss versuchen, geheimnisvoll zu gucken, auch wenn's schwerfaellt. Im Hintergrund laesst du irgendwas brennen, kommt geil und kostet nix. Was vom Etat uebrigbleibt, fliesst natuerlich in deine Tasche.

Jetzt heisst es zuruecklehnen, denn den Rest besorgt dir VIVA, gratis und ohne Ruecksicht auf Geschmack, Menschenwuerde oder Verluste. Das nennt man High Rotation, HYPER HYPER !

Text by Oliver vom Hofe (3 Os!)