Ein Tag bei der BPS.....

Autor: Jens Ullrich

Stickige Nebelschwaden ziehen durch den duesteren Raum. Hie und da ist das Geraeusch von Maschienenpistolen, Flakstationen und Panzern zu hoeren. Das Keuchen luesterner Maedchen zieht durch den Raum. Tropenpflanzen lassen ihren Schatten auf die von schwachen Lampen erhellten Buerotische fallen. Wo sind wir ?
Im Buero der Bundespruefstelle fuer Verfassungsschutz, in der Tag fuer Tag, Jahr fuer Jahr, abertausende von Videokassetten, Filme, Zeitschriften und vor allem Computerspiele indiziert und uns 'armen Usern' vorenthalten werden. Aber wieder zurueck zu unseren Hauptakteuren, den Indizierern. Werfen wir einen kleinen Blick ueber ihre Schultern.
Hugo Daumenflirr befasst sich gerade mit dem neuesten Actionspiel, das heute frisch auf den Markt kommen sollte. Aufgeregt schiebt er es in das Diskettenlaufwerk seines, von Schlingpflanzen umwucherten Amigas. Schweiss steht auf seiner Stirn und die heimischen Grillen im Bueroraum fangen an ein heiteres Lied zu zirpen. Das Titelbild erschien auf dem Monitor. Eine ueberdimensionale Handgranate rueckt auf Herrn Daumenflirr zu. Grinsend zueckt er seinen Kugelschreiber und vermerkt auf der Indizierungslisten:
" Harter Einklang in das Spielgeschehen. Bewertung negativ "

Er betaetigt die linke Maustaste und eine ohrenbetaeubende Granatenexplosion erschuettert Hugos Trommelfell. "Hervorragend !", jubiliert er. "Ein wirklich perfekt gemachtes Sounderlebnis durchflutet meine verkalkten Gehoergaenge. Wirklich, ich muss schon sagen...sehr beeindruckend." Benommen und voller Verzuecken notiert er auf seine Liste:

"Aggressive Vertonung der Titelmusik. Bewertung negativ "

Inzwischen, aufgeschreckt durch die nervzerfetzende Detonation der Granate, bildet sich ein Pulk von maennlichen Mitstreitern hinter Herrn Daumenflirrs Schreibtisch. Schweissueberstroemt vom vielen 'Videobewerten', stellt sich langsam ein breites Grinsen in den Gesichtern der Masse ein. "Oho, Herr Daumenflirr. Sie haben aber heute wieder Glueck. Solche Spiele moechte ich auch einmal auf meinem Schreibtisch landen sehen. Gratuliere !"
Langsam veraendert sich der Bildschirm. Er stellt nun eine riesige Kampfflaeche dar, durch die sich ein mit Granaten bepackter Guerilla-Kaempfer hindurchschlagen muss. Ein flauer Jubel durchfaehrt die Menge, als Herr Daumenflirr zu seinem Joystick greift. Langsam senkt sich die kuenstliche Urwaldsonne hinter den projizierten Urwaldhintergrund in dem zu einem Urwald umgeruesteten Bueroraum. Und Hugo Daumenflirr greift mit seinem Steuerknueppel direkt in das Geschehen am Bildschirm ein. Mir einem verzueckten Laecheln drueckt er auf den roten Feuerknopf und immer wieder droehnen aus den Lautsprechern gequaelte Menschenschreie. "Ich bringe sie um, diese Schweine...Toeten !" Langsam ertoent, aus in der Kulisse eingelassenen Lautsprecherboxen, seichte Thrashmusik.
Angeheizt durch diese Geraeuschkulisse verfaellt das Publikum in einen ekstaseaehnlichen Rausch der Begeisterung. Immer wieder stroemen aus den benachbarten Raeumen neue Zuschauer, die johlend und applaudierend Herrn Daumenflirr beistehen.

Nach etwa einer Stunde des Kampfes in der Urwaldarena hat er es vollbracht. Der erste Level ist gereinigt, und damit sind alle feindlichen Angreifer erledigt. Johlender Applaus und extremer Jubel breitet sich in dem ueberfuellten Bueroraum der Bundespruefstelle aus. Hugo laesst sich erschoepft in seinen schweissnassen Sessel zurueckfallen.
"Bravo Herr Daumenflirr. Sie haben es geschafft. Wie war das nur moeglich ? Ich haette aber die Bruecke anders eingenommen..."
Eine heisse Diskussion entfacht. Plaene werden entworfen, waehrend der Urwaldmond am kuenstlichen Himmel aufzieht. Die immer noch zirpenden Grillen wiegen das ganze Geschehen in einen Zustand, der sehr an einen zweiten Vietnam-Krieg erinnern koennte, wenn nicht auf einmal die Buerotuer aufgeflogen waere, und der oberste Indizent das krasse Neonlicht eingeschaltet haette. Alle Planer und Mitstreiter huschten angsterfuellt zurueck auf ihre Plaetze.

"So, wie ich sehe, Herr Daumenflirr, hat ihnen dieses neue Spiel sehr gut gefallen."
"Ja Herr Meier, so ist es, aber ich wuerde sagen, dass es doch etwas zu ...aeh... kinderunfreundlich ist."
"Aha, was wuerden sie an meiner Stelle nun tun ?"
"Ich weiss nicht Herr Meier. Vielleicht..."
Kalter Angstschweiss stand auf seiner Stirn. Wie sollte er die Entscheidung faellen. Er hatte noch nie Entscheidungen gefaellt. Er wusste, dass bald eine Gehaltserhoehung vor der Tuere stand und die Eltern vieler tausend Kinder wieder einmal eine Entscheidung von ihm erwarteten. Ach mein Gott, dachte er sich. Warum haben diese Spielemacher nicht einfach wehrlose Marsmenschen oder sonstiges Ungeziefer auf die Mattscheibe gezaubert. Dann waere die Entscheidung klar gewesen. Auf Marsianer zu schiessen stoert keinen Erwachsenen und dass dadurch auch die Aggressionen der Kinder gefoerdert werden koennten laesst Eltern normalerweise kalt. Sie wuenschen nicht, dass ihre Schuetzlinge in laengst vergessene Geschichtliche Ereignisse verwickelt werden, dass ihre Eltern kein schlechtes Beispiel geben. Aber selber ueber ihre Schuetzlinge zu wachen und zu ueberpruefen, was fuer Spiele diese sich zulegen, scheint fuer sie ja wohl kein Thema zu sein. Somit waere auch eine Altersempfehlung auf dem jeweiligen Produkt, in diesem Falle ein Computerspiel, recht unzureichend. Aber wie gut, dass es doch unseren guten, wenn auch nicht so alten Vater Staat gibt, der den Eltern die Ueberpruefung und Ueberwachung ihrer Kinder abnimmt. Fuer was zahlt man schliesslich Steuern... ?
Somit war die Indizierung, eines technisch und Grafisch vollendeten Spieles vollbracht.