Ilona Weigand; mc 6/1982
Johannes Leckebusch, selbst Computer-Begeisterter, nahm in seinem Beitrag "Computerfreaks" in mc 1982, Heft 4, die Computer-Hobbyisten auf's Korn. Lesen Sie nun, sozusagen als Teil 2, die folgenden Anmerkungen einer unmittelbar betroffenen Ehefrau.
Ich muß vorausschicken, daß ich nicht zu den computerorientierten Denkern gehöre ich bin mit einem solchen verheiratet. Vielleicht darf ich somit etwas über die "Peripherie" (mich, das noch weniger als ein System funktionierende und begreifende Anhängsel) sagen. Vor etwa zwei Jahren legte mein Mann sein damaliges Hobby Chemie zur Seite. Was ein Glück, dachte ich, nun stehen nicht dauernd überall Reagenzgläser, giftige oder explosive Dinge herum und ich kann unser gemeinsames Bad wieder als das nutzen, als was es ehemals gebaut wurde - als Bad. Er verkündete stolz und etwas unsicher, wohl ahnend, was da auf ihn zukommt, er wolle sich einen Computer zulegen. Aber keinesfalls einen, den jeder hat und den jeder bedienen kann, sondern einen, an dem man selbst basteln und entwickeln und vor allem kreativ sein kann. Außerdem wäre das ja naheliegend, da er sich früher lang und ausgiebig mit Elektronik befaßte und da würde er so einen kleinen Computer wohl auch noch zusammenlöten können. Den, den er im Auge habe, sei im Do-it-yourself-Verfahren selbst zu erstellen, ein sogenanntes Entwicklungssystem. Alles andere ist sowieso Unsinn und außerdem, wenn man etwas anfängt, tut man das am besten an der Basis. Um einen Computer richtig programmieren zu können, muß man "Maschine" können. Das geht am schnellsten und effektivsten. Alles andere ist kalter Kaffee...
Na fein, dachte ich, da genügt je ein kleines Eckchen. Pustekuchen. Das Prachtstück kam - in Einzelteilen. Mit viel Enthusiasmus und einwenig verunsichert wurde es dann zusammengelötet und verdrehtet. Nachdem dies geschehen war, wurde ein dickes Buch gewälzt, in das man zwar schon vorher reingeguckt hatte, aber noch nichts damit anzufangen wußte. Das wußte man jetzt auch noch nicht, aber irgendwo mußte man ja anfangen. Wenn man glaubt, daß nur er angefangen hätte, weit gefehlt. Ich bekam gleich einen Grundkursus gratis.
Überspringen wir einige Wochen, in denen sich das abspielte, was sie beschrieben. Hier war es ein gut funktionierendes System, das zuerst keinen Pieps von sich gab; heute funktioniert's prächtig. Vor allem, da man es mit allen möglichen Platinen und Speicherkapazität und auch sonst noch einigen Kleinigkeiten aufgepäppelt hat. Nach diesen Wochen wurde mir kundgetan, daß wir nun einen neuen Fernseher bräuchten, aber nur einen in schwarzweiß. Wieso, wir haben doch einen und den in Farbe und Sohnemann kriegt keinen eigenen? Nun, wie konnte ich wohl meinen, der wäre für uns - weit gefehlt! Der war für seinen Computer gedacht. Er kaufte einen und dann ging's richtig los. Nun konnte man alles, was er fabrizierte, und anfangs auch das, was er nicht fabrizierte, in schwarzweiß bewundern. Und das mußte und muß ich häufig. Kaum klappt etwas oder auch nicht, wird etwas Neues geschrieben und es läuft erwartungsgemäß oder erwartungsgemäß nicht, werde ich vom Kochtopf gezerrt, muß Putzeimer und Wischlappen fallen lassen, werde aus dem Bett geworfen, muß meine Lektüre zur Seite legen, kurz: Zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit werde ich vor das Ding geschleppt. Aber damit nicht genug. Ich muß auch noch "sachkundig" meine Meinung dazu äußern.
Tue ich das nicht gleich oder komme gar mit der "Ausrede", daß sind alles böhmische Dörfer für mich und das verstehe ich doch nicht, wird mir lang und ausführlich erklärt, was gerade läuft, warum es läuft (oder auch nicht), welche Verknüpfungen und Sprünge, welche Adressen und Programme dazu notwendig waren. Meine Antwort, das ist zu hoch für mich, wird mit ungläubigem Gesicht zur Seite gefegt: "Das ist doch ganz einfach, das kapierst sogar du. Also hör mal." Mit ergebender Miene lasse ich den ganzen Sermon nochmals an mir vorüber ziehen; gucke in gespannter Erwartung auf den grünen Bildschirm (wir haben seit längerer Zeit einen. Mein Mann hat ihn für ein von ihm geschriebenes und sogar sehr gut funktionierendes Programm erhalten.)
Das einzige, was ich wahrnehme, sind irgendwelche grünen Hieroglyphen. In der Küche brennt fast mein Essen an und ich wäre viel lieber woanders. Aber gnadenlos setzt er seinen Monolog fort, nur unterbrochen von der Zwischenfrage: Hast du es verstanden?" Ich nicke ergeben. Bloß nicht den Kopf schütteln, sonst geht das ganze von vorne los und meist noch mehr ins Detail.
Eine absolute Ehre für mich ist es, gebeten zu werden, selbstätig die Tastatur zu bedienen. Entweder ich muß "G" soundso oder "M" soundso drücken, dann passiert's. Oder ich muß irgendeinen Kram eintippen. Das kann ich schneller (meines Berufes wegen). Bei meinem Mann scheinen die Buchstaben auf der Tastatur immer auf Wanderschaft zu sein. Er sucht sie ständig woanders.
Eines der wenigen guten Dinge an diesem Computer ist, ich brauche nie mehr zu grübeln, was ich ihm wohl zu Weihnachten schenke oder womit ich ihm zum Geburtstag eine Freude machen kann. Es gibt immer etwas, das fehlt. Einen Drucker haben wir auch: eine elektrische Schreibmaschine. Gott sei Dank rappelt dieses Ding nicht mitten in der Nacht, aber sonst fast immer. Dann bekomme ich irgendwelche kunstvoll bedruckten Blätter vor die Nase gehalten, egal, wo ich mich befinde, und schon setzt der Erklärungsmonolog ein. Ich muß es Monolog nennen, denn antworten kann ich keinesfalls, weder qualifiziert noch unqualifiziert.
Irgendwann habe ich mal erwähnt, daß er jetzt meiner Meinung nach nur ein kleines Eckchen benötigt. Wie schon gesagt: Pustekuchen. Unser Wohnzimmer (dort befindet sich das Wunderding) sieht aus wie ein Schlachtfeld, angefangen von den Bergen von Fachzeitschriften bis hin zu den Kabelschlangen, einschließlich einiger Platinen die sehr dekorativ auf den Fensterbänken gestapelt sind, neben so diversen anderen Kleinigkeiten, wie EPROMs, RAMs, ROMS. Von jedem dieser oder anderer Dinge haben wir Dutzende. Wenn ich nicht vor dem Bildschirm stehen soll, wird extra für mich einer der Stühle freigeräumt, damit ich mich zu einer längeren Sitzung niederlassen kann. Das einzige, was nicht stört, es suchen zu müssen (das sind wir schon gewöhnt), ist der Schraubenzieher. Den suchen wir immer. Aber nicht daß Sie glauben, das Wohnzimmer sei der einzige computerkreative Raum, weit gefehlt. Wir haben ja auch noch eine Küche.
Nein, kann man auf dem Küchentisch gut löten! Da ist so richtig Platz für die Fachunterlagen, Schaltpläne, Lötkolben und Lötzinn (das suchen wir auch immer). Wenn wir essen müssen (von wollen kann keine Rede sein, für einen Künstler ist es immer der falsche Moment), schiebt man mit beiden Händen (aber Achtung, der Lötkolben ist heiß) den ganzen Salat (die Computerfans werden mir hoffentlich diese "blasphemischen" Titulierungen verzeihen) ganz sanft und vorsichtig nach hinten, zur Seite oder sonstwohin, damit man gerade ein kleines Plätzchen für den Teller hat. Was soll auch so was triviales wie Teller und Essen in solch einer Kreativität, so was Banales. Was bei einem irgendwann mal erfolgenden Aufräumen so alles unter dem Wust auftaucht: Da ist ja das Lötzinn... das habe ich vorgestern gesucht. - Guck mal der Schraubenzieher. - Ach, da ist ja die Zeitschrift ...". Da steht doch der interessante Artikel von so und so drin. - Huch, hier ist es, gestern hab ich's gebraucht (das Listing nun hab ich's noch mal geschrieben, ist ja auch viel besser geworden. Ich habe einfach... geändert... das ist rausgefallen, ist jetzt viel effektiver und vor allem kürzer und schneller... verstanden? ... So, jetzt sollte ich Laie doch endlich aufhören. Alles weitere ist dem Beitrag "Computerfreaks" (mc 1982, Heft 4) zu entnehmen. Ich kann nur sagen, stimmt. Ich hoffe, die Computerfans sind mir nicht böse. Ich sehe sie schon die Köpfe schütteln: Typisch Frau. Kein Verständnis.