"Ich habe 46 KB RAM..."
"Ha!" flachste der Rothaarige rotzig zurück: "Ich fahr die Kiste mit 640 RAM
und 'nem Extended Memory von einem GigaByte!" Der Typ mit dem Stoppelschnitt
hielt sich angeschossen an seinem Coca-Cola Glas fest.
Das hatte gesessen. Und man sah es ihm an.
Und so, als wenn der Rothaarige jetzt alles klar machen wollte, setzte er
noch drauf: "Die 16Bit-CPU bringt locker einen Norton-Faktor von 4,3 zum IBM
und seitdem ich die FastCard eingebaut habe, hebt der Rechner regelrecht ab.
Da kommt selbst der V20-Chip nicht mehr mit." Das blonde Mädchen stellte
ihren Campari auf die Theke: "Wow! Da biste ja bei Ki-Anwendungen absolut top
of the line." Der Rothaarige wußte um seinen Eindruck und räkelte lässig
ein Nicken zurück.
Ich umklammerte in der Hosentasche mein Feuerzeug, spannte die Muskulatur in
meinem rechten Bein bis zum Schmerzpunkt an und sagte dann so cool wie's nur
irgend ging: "Ich halt nix von Extended Memory. Da hab ich meine Kohle lieber
in die neue 80er Seagate gesteckt!" "Was", staunte die Blonde,"du hast 80MB
Seagate?..! Welche Zugriffszeit bringt die?" Die 80 MegaByte Festplatte
kannte ich nur, weil Atom-Otto mir neulich eine Anzeige ausgeschnitten und
unter die Fußmatte geklemmt hatte. Warum muß ich auch immer meinen Mund so
voll nehmen? "Och," stotterte ich desinteressiert und nahm all meinen Mut
zusammen, "mich beeindrucken die Zeiten nicht so sehr seitdem ich den
HardDisk-Cache fahre." Und schnell griff ich wieder zu meinem Espresso.
Der Rothaarige schaute etwas verunsichert. Man sah ihm förmlich ins Gesicht
geschrieben, wie er versuchte, abzuschätzen, welche welche Wirkung ich bei
der Blonden damit erzielt haben mochte. Mein Espresso war leer und ich
hundemüde. Seit drei Tagen war ick keine Nacht vor fünf ins Bett gekommen.
Und gestern nacht hatte ich meine 648 Disketten endlich mal alle
zusammengekramt und mit PC-DISK (eine wirklich gute Disk-Utility aus der
Public-Domain-Welt) versucht zu ordnen: Jetzt stand ich hier und ließ mich
auf kleine Junge-Spielchen ein. Eigentlich wäre der Punkt dagewesen zu
gehen (vielleicht zu Hause noch ein bißchen die neuen BIN-Files für's
dBase-3Plus ausprobieren?), aber dieses blonde Mädchen gefiel mir wegen
ihrer Sommersprossen und sie trug diese roten, hochhackigen Schuhe mit den
schwarzen Strümpfen. Und das törnte mich gewaltig an.
John Wayne geht in die untergehende Sonne und sagt gelangweilt zu ihr:"Komm".
Humphrey Bogart zieht sich seinen Mantelkragen hoch und geht in der
Gewißheit, daß sie ihm schon folgen wird. Ich nehme all meinen Mut zusammen
und sage: "Wenn Du magst, zeig ich Dir meine Disketten-Sammlung." Den
Stoppelschnitt interessierte das nicht mehr, der Rothaarige grinste dämlich,
das blonde Mädchen schaute mich an - viel zu lange: 3 1/4 Ewigkeiten tropften
an mir herunter. Warum tat sich nicht die Erde auf und schluckte mich? "Ja
gerne", antwortete sie endlich. In mir gab es einen doppelten Tusch, 40000
Werder-Fans jubelten und in einem feurigen Kometenschwall brauste ich hinauf
zum Saturn und zurück... aber erstmal mußte ich meinen Espresso und ihre
sieben Campari bezahlen (das wären 800 bis 900 no-name Disketten geworden!).
Zu Hause schmiß ich mein 240 Minuten Lieblingsvideo mit den Formel-1-Ansagen
von Ingolf Lück an und schaltete so nebenbei meinen DEC Rainbow und den
IBM-Asiaten an. Im Bad putzte ich mir schnell die Zähne und trug ca. 340
Milliliter Parfüm auf.
Sie hatte es sich inzwischen vor den Rechnern bequem gemacht. "Also die 80er
Seagate-Festplatte habe ich noch nicht installiert..." beugte ich gleich mal
vor. Und weil die ehrliche Tour letztes Mal bei Roswita so enorm gut
angekommen war (Meine Güte! Das war ja schon 14 Monate her! Hoffentlich kommt
es mir nachher nicht so schnell, oder würde ich gar impotent sein?!) sagte
ich: "Um ehrlich zu sein, mit der 80er Seagate habe ich total angegeben. Da
wollte ich nur Eindruck bei Dir schinden, weil Du mir so gut gefällst. Ich
hab' die noch gar nicht." Ihre Strümpfe machten mich wirklich total an. Ich
setzte mich völlig lässig aufs Bett.
"Heribert hat heute abend wieder..." - "Wer ist Heribert?" unterbrach ich sie.
"Mein freund," zeigte sie sich erstaunt, "wer sonst?" Na klar, ihr Freund. Im
Weserstadion war ein Gegentor gefallen und ich knallte voll auf den Saturn
drauf. "Der hat heute wieder seinen Computer-Abend. Und da habe ich mir diese
unbequemen Schuhe, die ekligen Strümpfe angezogen und bin raus ins Cafe
Freiheit, um ihn endlich mal eifersüchtig zu machen. Der hat ja nur noch
seinen Computer im Kopf und läßt mich immer mehr links liegen."
Natürlich hatte ich nichts dagegen, daß sie sich die unbequemen Schuhe
auszog und verstand total, daß sie diese ekligen Strümpfe, die sich so
komisch auf der Haut anfühlten, alleine im Badezimmer ablegte. Völlig
verändert kam Ulla zurück, um mir zu erzählen, daß Heribert und sie seit
vier Jahren zusammen waren und das sie heiraten würden, wenn Heribert bei
Siemens endlich in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wird. Außerdem
sei ich unheimlich nett und ganz anders als die anderen Typen, die eh immer
nur das eine wollten.
Ich stand vom Bett auf und ging zu Ulla, die schon wieder vor den Rechnern
Platz genommen hatte. Eigentlich sei es unheimlich toll, daß sie mich
getroffen habe (kein großer Unterschied, dachte ich mir, wenn sie sich
später wieder ihre Strümpfe anzieht).
Denn ich hätte ja wohl Ahnung von diesen Computern und könnte ihr ein paar
Sachen erklären, denn außer ein paar Schlagwörtern, die sie von ihm
aufgeschnappt hätte, würde sie eh nix kapieren.
In den nächsten drei Stunden erklärte ich Ulla also, was sich hinter dem
Computer-Chinesisch verbirgt. Nicht ohne Stolz zeigte ich ihr dann noch das
Programm SPEED, das viel besser als das Norton-Programm die wirkliche
Verarbeitungsgeschwindigkeit des Rechners anzeigt.
Gegenüber wurde schon die Zeitung für den nächsten Tag in den stummen
Verkäufer gepackt. Ich zeigte Ulla noch die Space Invaders und Pacman.
Früher spielte ich immer 2 oder 3 LPs von den Beatles und dann lagen Mann
und Frau im Bett. Jetzt aber wollte Ulla unbedingt noch den Unterschied
zwischen Text- und Datenverarbeitung erklärt haben. Warum hatte ich mich
bloß von Birgit trennen müssen?!
Um kurz nach sieben fragte Ulla nach einer Plastiktüte, um ihre Strümpfe
einzupacken. Ich schaute ihr aus dem Fenster hinterher, schaltete Ingolf
Lück ab (der arme Mann hatte seit sechs Stunden immer wieder von vorne
begonnen) und ging eiligst ins Bett. Denn, das hatte ich Ulla versprechen
müssen, um 18 Uhr würde Heribert kommen, um sich einige feine Utensilien
aus meiner Diskettensammlung zu kopieren.
Verfasser der Story: N. Jürgensen, entnommen aus einer Bremer Zeitschrift.